Was ist ein fairer Preis?

Wie entstehen Gemüsepreise? Und was ist eigentlich ein angemessener Preis? Keine einfache Frage. Aber eine, die uns immer wieder beschäftigt. Wenn wir im Supermarkt einen Bund Radieschen für einen Euro sehen, dann wissen wir nicht, ob wir lachen oder weinen sollen. Klar gibt es Kunden, die sich freuen. Aber als Gärtner wissen wir, dass solche Preise nicht zu schaffen sind, wenn weder der Boden, noch die Menschen ausgebeutet werden sollen. Hier also ein Einblick in die Überlegungen, die hinter unseren eigenen Preisen stehen. 

1. Wir möchten gute Arbeitsbedingungen für alle

Die große Frage für uns ist: Wie bekommen wir das hin, so viel zu ernten und zu verkaufen, dass wir alle Löhne gut finanzieren können? Verkaufen wir unser Gemüse zu billig, fehlt das Geld, um alle Piluweris über die Runden zu bringen. Verkaufen wir unser Gemüse zu teuer, springen diejenigen Abokunden ab, für die höhere Preise nicht zu stemmen sind - und damit erreichen wir genau das, was wir nicht möchten: nämlich Kunden zu verlieren, die wir brauchen. Eine gute Ernte allein nützt uns schließlich wenig, wir müssen unser Gemüse auch an die Menschen bringen, die es essen wollen und die uns auch in Krisenzeiten treu bleiben.

Im Moment spitzt sich diese Situation zu: Wegen der gestiegenen Lebenshaltungskosten haben wir die Löhne erhöht und zahlen allen, die hier arbeiten, einen Inflationsausgleich. Das wollen wir einige Monate durchhalten können, aber leicht ist es nicht. Denn wo soll das Geld dafür herkommen, wenn wir gleichzeitig nicht möchten, dass das Gemüse teurer wird? Noch effizienter arbeiten? Okay, gerne, aber wir sind Menschen. Geht es nur um die Effizienz, fehlt die Achtsamkeit. Und wenn die fehlt, steigen wiederum die Reparaturkosten. Bei großen Maschinen wird das ganz schön teuer. Also doch: innehalten, durchatmen und schauen, was ansteht. Dafür aber brauchen wir Preise, von denen wir leben können.

2. Wir möchten stabile Arbeitsplätze hier in der Region

Wir wissen sehr genau, was wir nicht wollen: Ein paar Vorarbeiter - und unter ihnen eine Schar ungelernter Arbeitskräfte aus Osteuropa, die gar nicht wissen, welche Rechte sie haben. Und die auch zu müde sind, um sie einzufordern. Es kann nicht sein, dass wir uns über Arbeitsbedingungen in Katar und Nepal beklagen, aber vor den Arbeitsbedingungen hier in Deutschland, hier im Markgräflerland die Augen verschließen. Auch hier gibt es Parallelwelten, wo plötzlich nicht mehr gilt, was viele für selbstverständlich halten.

Wir aber wollen keine Parallelwelt sein, sondern mittendrin, transparent, für alle sichtbar als Beispiel dafür, dass ein menschengemäßes wirtschaften möglich ist. Befristete Verträge, Minijobs und Saisonarbeit sollen keine Standards sein. Klar brauchen auch wir zur Ernte im Spätsommer ein paar Hände mehr. Aber wir möchten, dass diejenigen, die ganzjährige Arbeit suchen und davon eine Familie ernähren wollen, das auch können.

3. Auch wir spüren den Konkurrenzdruck

In Spanien gab es gerade einen Aufschrei bei den Lebensmittel-Erzeugern, weil der dortige Mindestlohn auf etwas mehr als 6 Euro angestiegen ist. Bei uns liegt er bei 12 Euro - und wenn man es rein ökonomisch betrachtet, befinden wir uns in vieler Hinsicht in direkter Konkurrenz zu Bio-Betrieben in Südspanien. Diejenigen, die sich keine regionale Abokiste mehr leisten, steigen oft um auf EU-Bio-Produkte aus dem Discounter.

Da steht auch "Bio" drauf, so groß wird der Unterschied doch nicht sein? Wie groß er wirklich ist, ist für uns oft schwer zu vermitteln. Was sollen wir auch sagen, wenn die Supermarktketten ebenfalls von "regional", "fair" und "nachhaltig" reden? Wenn echte Werte immer mehr zur Worthülse werden? Wenn viele nicht mehr unterscheiden können zwischen Marketingbotschaften und dem, was wirklich ist?

4. Mit dem Gärtnern ist noch keiner reich geworden (soweit wir wissen)

Über Geld wird meist nicht gern gesprochen, weder von denen, die viel davon haben, noch von denen, die wenig haben. Wenn hier jemand mit dem 5er BMW vorfährt und sich dann beim Hofverkauf über die Preise beschwert, dann haben wir immer das dringende Bedürfnis es mal ganz laut zu sagen: Hier ist noch niemand reich geworden! Die Piluweris verdienen zwischen 12 und 17 Euro pro Stunde. Alle Piluweris, auch die Geschäftsleitung. Für uns sind das die "neuen, gestiegenen Gehälter", auch wenn andere Branchen darüber nur den Kopf schütteln können.

Vor sieben Jahren lag der landwirtschaftliche Mindestlohn noch bei 8,48 Euro. Nun könnten wir uns eigentlich freuen, dass diese Zeiten vorbei sind. Das Dumme ist nur: Die Lohnsteigerung wird durch die Inflation völlig zunichte gemacht. Auf Jammern haben wir trotzdem keine Lust. Wir machen eine Arbeit, die sich sinnvoll anfühlt. Die uns gut tut. Die schon manchen durch Lebenskrisen getragen hat. Finanziell sind wir nicht reich, in anderer Hinsicht vielleicht schon.

5. Die hohen Energiekosten treffen auch uns

Auch wenn wir mit den Händen in der Erde schaffen, geht es uns in mancher Hinsicht nicht anders als einem Industriebetrieb: auch wir brauchen Strom und Gas. Im Winter hatten wir die Gewächshäuser mit Noppenfolie eingepackt, damit wir die Heizkosten einigermaßen im Griff behalten. Wir haben die Temperaturen so heruntergefahren, dass wir die Tunnel gerade noch frostfrei halten - das ist fürs Gewächshausteam morgens klirrend kalt, aber es hat geholfen. Nur gibt es da gewisse Grenzen: hier in Südbaden brauchen wir als Ergänzung zum Freiland den geschützten Anbau, sonst wird die Gemüsesaison sehr kurz. Auch die Anzucht kann nicht einfach weniger heizen. Saatgut keimt nicht ohne Wärme und kleine Pflänzchen brauchen Wärme für ihren Start ins Pflanzenleben.

Bisher wurden diese Preissteigerungen in der Bio-Branche nicht an die Kunden weitergegeben. Bei konventionellen Produkten schon, bei "den Bios" aber gibt es die Sorge, dass damit Kunden verschreckt werden. Für uns ist das eine Gratwanderung: Wir wissen selber, wie es ist, wenig Geld zu haben. Wir wissen aber auch, was gutes Gemüse wirklich wert ist.

6. Es gibt da noch ein paar Herausforderungen

In der Corona-Zeit konnten wir uns vor Kundenanfragen kaum retten. Das ging so weit, dass wir einige Zeit keine neuen Kunden mehr annehmen konnten, weil wir an den Grenzen des Mach- und Packbaren angelangt waren. Viele dieser damaligen Kunden sind wieder abgesprungen, manchen ging es weniger um die Qualität der Lebensmittel, als darum, möglichst nicht in den Supermarkt zu müssen.

Jetzt gibt es einen rückläufigen Trend, den alle Bio-Betriebe zu spüren bekommen: Nicht nur Kunden wandern ab, auch der Großhandel bestellt spürbar weniger. Fragen wir bei Abokunden nach, woran es liegt, nennen die meisten die Preise als Grund. Und hier beginnt der Zyklus dann von neuem - und wir können bei Punkt eins wieder anfangen. Oder wir erinnern uns an das, was man beim Gärtnern lernen kann: alles ist mit allem verbunden. Keine Gärtnerei kann das Problem alleine lösen, wir Piluweris auch nicht. Die Welt ist, wie sie ist.

Aber wir können sie gestalten, an dem Ort, an dem wir sind. Jetzt.